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Mietzinsbefreiung aufgrund von COVID-19

Die derzeitige COVID-19-Krise stellt (auch) die Immobilienbranche vor große Herausforderungen und bringt gewisse rechtliche Unsicherheiten mit sich. Insbesondere die allfällige Möglichkeit einer Mietzinsminderung oder -befreiung wurde in den letzten Tagen auch medial thematisiert.

§§ 1104 f ABGB

Im Gegensatz zur Zinsminderung gemäß § 1096 ABGB, zu der eine große Zahl an Anwendungsfällen und Gerichtsentscheidungen besteht, war § 1104 ABGB über viele Jahrzehnte weitgehend „totes Recht“.

Die Bestimmung trägt die Überschrift „Fälle und Bedingungen einer Erlassung des Zinses“ und lautet seit 1.1.1917:

„Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.“

§ 1105 erster Satz ABGB normiert ergänzend, dass in Fällen eines solchen Zufalls, in denen dem Mieter ein beschränkter Gebrauch verbleibt, der Mietzins anteilig erlassen ist.

Der im Gesetz erwähnte außerordentliche Zufall muss ein elementares Ereignis sein, das von Menschen nicht beherrschbar ist. Die im Gesetz enthaltene Aufzählung ist nur demonstrativ, in der Judikatur wurden bislang insbesondere folgende Umstände als Erfüllung des Tatbestands des § 1104 ABGB angesehen:

1. Kriegseinwirkung
2. Inanspruchnahme des Bestandobjektes durch eine Besatzungsmacht
3. behördlich verfügtes Verbot der Produktverarbeitung im gepachteten Unternehmen
4. Einzug eines Mieters, gegen den aus politischen Gründen mit terroristischen Anschlägen zu rechnen ist
5. Benützungsuntauglichkeit durch Umstände, die den Zugang hindern (Unerreichbarkeit des eingeschneiten Wintersportortes)

Rechtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19

Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 2020/12 idF BGBl I 2020/16, ermächtigt den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder Arbeitsorten (§ 1) bzw. das Betreten von bestimmten Orten (§ 2 Z 1) zu untersagen.

Von diesen Ermächtigungen machte der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Gebrauch und erließ die

1. Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (BGBl II 2020/96 idF BGBl II 2020/112) sowie die
2. Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (BGBl II 2020/98 idF BGBl II 2020/108).

Diese Verordnungen untersagen das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben, das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, bzw. (ganz allgemein) das Betreten öffentlicher Orte.

In beiden Verordnungen sind auch diverse (teils kasuistische) Ausnahmen normiert, insbesondere betreffend 21(!) Bereiche von Handels und von Dienstleistungsunternehmen, deren Kundenbereiche betreten werden dürfen, einzelnen Betriebsarten der Gastgewerbe, deren Betriebsstätten nicht generell nicht betreten werden dürfen bzw. fünf Gründe die das Betreten öffentlicher Orte erlauben.

Beide Verordnungen treten (gemäß ihrer aktuellen Fassung) mit dem Ablauf des 13.4.2020 außer Kraft.

Entfällt wegen COVID-19 die Pflicht zur Mietzinszahlung?

Geht man von der demonstrativen Aufzählung der Beispiele aus der Judikatur unter Punkt 1.3. aus, ist die aktuelle COVID-19-Pandemie (vergleichbar mit einer Seuche) wohl als „außerordentlicher Zufall“ iSd § 1104 ABGB anzusehen.

Zweite Voraussetzung für den Entfall der Zahlungsverpflichtung ist aber die, gänzliche oder zumindest teilweise, Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes.

Hier muss also jedenfalls nach dem jeweiligen konkreten Nutzungszweck differenziert werden, zumal die unter Punkt 2.2. genannten Verordnungen eine breite Palette an Ausnahmen enthalten.

Aber auch bei Betriebsstätten, deren Kundenbereich nicht betreten werden darf, stellt sich im Einzelfall die Frage, in welchem (konkreten) Ausmaß die Nutzung dadurch eingeschränkt ist und was das für die Zahlung des Mietzinses bedeutet.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die §§ 1104 und 1105 ABGB grundsätzlich dispositiv sind, die Vertragsparteien können also im Mietvertrag abweichende Regelungen treffen.

Bei Vorliegen der obigen Voraussetzung kann eine (zumindest teilweise) Mietzinsbefreiung zulässig sein.

Handlungsempfehlung

Wegen der im Einzelfall sehr unterschiedlichen Voraussetzungen (Mietgegenstand, Nutzungszweck, vertragliche Vereinbarung, etc.) ist es nicht seriös möglich, eine pauschale Handlungsempfehlung für alle Mietverhältnisse abzugeben, insofern gilt die alte Juristenantwort „es kommt darauf an“.

Bitte beachten Sie dabei, dass derzeit laufend neue Gesetze und Verordnungen in diesem Zusammenhang erlassen werden, die gegenständliche Stellungnahme basiert auf der Rechtslage vom 30.3.2020.

Wir sind Ihnen gerne bei der Prüfung der Rechtslage und Optionen im Einzelfall, insbesondere ob eine (zumindest teilweise) Mietzinsbefreiung möglich und zulässig ist, behilflich!